POKER ERROR TOMATEN

Gedanken zur digitalen Selbstbestimmung

Die vier Social Media Giganten, © Frank-Thorsten Moll, 2023

Bereits seit 2020 versuchen politische Entscheider die Macht des größten Wettbewerbers der etablierten Social Media Plattformen Facebook, Instagram und Twitter zu beschneiden. Donald Trump persönlich zwitscherte wiederholt vom Verbot TikToks und fabulierte von Geheimdiensterkenntnissen, die vor politischer Einflussnahme und schlimmerem warnten. Auch zahlreiche demokratische Politiker:innen sind sich sicher, dass etwas getan werden muss. In Indien wurde bereits gehandelt und die App made in China ist heute in Indien verboten.

Die Argumente sind noch nicht mal an den Haaren herbeigezogen. Den Bedenkenträger:innen aus der Politik ist die Gefahr zu groß, dass China aka die Kommunistische Partei mit Hilfe von Hintertürchen und Tricks die App zur Desinformation und Spionage nutzen könnte.

Besorgte Eltern und Angehörige des Bildungswesens, sowie Pscholog:innen sprechen von den süchtig machenden Effekten der App, die diejenige bekannter Wettbewerber bei weitem übersteige. Von Spätfolgen für das Gehirn wird gesprochen und den negativen Folgen für Heranwachsende, die den „Don’t try this at home” Spielchen auf den Leim gehen.

An Gründen TikTok nicht auf seinem Smartphone haben zu wollen und schon gar nicht auf den Smartphones von Kindern mangelt es wahrlich nicht. Was jedoch nicht nur an Heuchelei grenzt, sondern zu einem Erklärbeispiel für dieselbe herangezogen werden könnte, ist die einseitige Dämonisierung einer App, deren Hauptnachteil offenkundig der Tatsache geschuldet ist, dass sie nicht im Silicon Valley programmiert, registriert und betreut wird. Die globalen Verwerfungen, die China vom Absatzmarkt zum quasi Wettbewerber um die Vormachtstellung in der Welt und daher zum quasi Schurkenstaat werden ließ, hat natürlich auch ihren größten digitalen Exportschlager TikTok in Misskredit gebracht.

Dabei treffen alle (ausnahmslos ALLE!) Argumente, die gegen TikTok zu Felde geführt werden, auch auf alle Apps aus dem Silicon Valley zu. Facebook, Twitter und Instagram können und werden von den amerikanischen Geheimdiensten genutzt, ausgewertet und kontrolliert. Sie sind süchtig machend, polarisierend, unterhöhlen den demokratischen Staat und seine Institutionen und haben nachweislich Auswirkungen auf die Psyche jüngerer wie älterer Nutzer:innen. Doch zum globalen Bannfluch wird in deren Fall nicht aufgerufen. Warum nicht?

Fakt ist, dass die Luft enger wird, nicht nur für TikTok, sondern für alle Social Media Plattformen, denn mit jedem guten Argument gegen TikTok wächst der Berg an guten Argumenten gegen die anderen drei Plattformen.

Aber wahrscheinlich kann die Politik auch einfach das tun, was sie viel zu lange gemacht hat, nämlich wegschauen. Twitter können wir nämlich gerade bei der – durch Elon Musks Managementstil beschleunigten – Implosion zuschauen. Facebook stirbt derweil den langsameren Tod an Überalterung und Irrelevanz und Instagram war für Meta schon immer eher Garant für eine symbolische Kapitalakkumulation und wird wahrscheinlich als letzte der großen Drei der Bedeutungslosigkeit anheimfallen.

Frank-Thorsten Moll, 2024

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Elon Musk, © Frank-Thorsten Moll, 2022

Viel wird zurzeit über Elon Musks Twitterübernahme, bzw. die vermeintlich chaotischen Zustände seit seiner Übernahme berichtet. Von irrationalen Entscheidungen wird gesprochen, von erratischem Gebaren eines Egomanen, von einer Selbstentzauberung und auch und immer wieder von Winkelzügen eines Genies.

Eigentlich bin ich auch eher ein Anhänger der Gruppe, die sagt, dass im Grunde alles Geschreibe und Gerede über Musk zu viel ist und nur die Aufmerksamkeitsbestie nährt und weiter wachsen lässt. Und tatsächlich finde ich vieles überflüssig und sensationsheischend – ganz so wie früher bei Trump, der auch zu viel Aufmerksamkeit erhielt. Und natürlich ist es nicht weiter erstaunlich, dass Trump und Musk sich beide tief in die Geschichte Twitters eingeschrieben haben: offenbar waren beide die perfekten Verkörperungen jeweils einer anderen Phase des Niedergangs von Twitter.

Was mich jedoch am meisten wundert ist, warum ich bisher noch kaum etwas über den Zusammenhang zwischen einer der beliebtesten Welterklärtexte aus der Feder Naomi Kleins – namentlich dem Buch „Die Schock-Strategie: Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus“ (2007) – und der Art wie Musk Twitter übernimmt geschrieben wurde. Ist das nicht offensichtlich?

Wir schauen zurück. Klein erklärt mit ihrem eloquenten Buch so ziemlich alle Kriege, die von den USA geführt worden waren, knüpft diese an Strategien der CIA und belegt deren Übertragung auf die Spätphase des Kapitalismus – den sogenannten Katastrophen-Kapitalismus.

Schaut man die einzelnen Etappen aus der Twitterübernahme an, sind darin schon die meisten Elemente ihrer Thesen enthalten. Die ganze Angelegenheit lief von Beginn an ab, wie eine feindliche Übernahme, gegen die sich die Gründer Twitters zwar lange Zeit zu wehren versuchten, als die Übernahme unabwendbar war, wurden die Schlüssel übergeben, Entschuldigungen für eigenes Versagen geteilt und der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass mit dem „Neuen“ vielleicht auch einiges besser werde. Dann war Elon Musk da und brachte sein Waschbecken mit. Nach dem relativ zivilen und mehr grotesken Einzug übernahm die Kündigungsdiplomatie. Er feuerte sofort und mit eiserner Hand alle, die für das alte System standen und versuchte die verbliebenen Mitarbeiter:innen (die Fußsoldat:innen) in Linie zu bringen. Weitere Entlassungen folgten. Kernaussage seiner Firmenkommunikation war: Unterwerft euch meiner Politik, oder ihr könnt die Koffer packen. An dieser Stelle zeigte Musk die Härte, die bei militärischen Invasionen wesentlicher und namensgebender Teil der Schock-Strategie sind. Das wesentliche Gefühl muss das einer existenziellen Unsicherheit sein – niemand darf sich seiner Sache geschweige denn seines Jobs sicher sein. Angst und Unterwerfung sind im Umkehrschluss die Währungseinheiten, mit denen man sein Arbeitsverhältnis aufrechterhalten kann. Wer da nicht mitspielen will, wird gefeuert, geblockt, angefeindet. Und dann? Dann lief immer noch nichts rund. Seine ganzen Neuerungen waren entweder undurchführbar oder schlichtweg dumm und als die Presse sich gegen Musk „verschwor“ eskalierte alles.

Seine jüngste Twitterumfrage, in der er fragt, ob er als CEO weitermachen soll oder nicht, wirkt bereits wie das Eingeständnis, dass seine Mittel nicht greifen aka dass er gescheitert ist. Ihn scheint das ebenso zu überraschen, wie die meisten Journalist:innen. Warum eigentlich? Woran hat es gelegen?

Wahrscheinlich, daran, dass er schlicht und ergreifend nicht genug Schock in seine Strategie zu bringen vermochte, um die von ihm verhasste Twitter-Firmenkultur (der Verschwendung, aber auch des Versuchs, einigermaßen an den demokratischen Prinzipien festzuhalten) nachhaltig zu zerschlagen. Die Mitarbeiter Twitters ließen sich einfach nicht in dem Umfang verängstigen, wie gehofft. Viele gingen erhobenen Hauptes und erdreisteten sich, die E-Mails zu leaken, die Musk herumgeschickt hatte, oder eröffneten selbst eine Mastodon-Instanz für Ex-Twitter-Mitarbeiter:innen. Kurzum: Sie zeigten Musk den Mittelfinger, wo sie nur konnten. Häme und Spott – soviel ist gewiss – sind der Feind eines jeden CEO.

Und so wurde Musks Handeln immer angestrengter und empfindlicher. Ganz so als könne er nicht verstehen, dass sein Rettungsversuch, als den er die Übernahme versucht hatte, zu kaschieren, überhaupt nicht gewürdigt wird. Er fühlt sich offenkundig missverstanden. Was sein letzter Versuch ist, an seinem Nimbus als Genie festhalten zu können. Denn ein verkanntes Genie, ist immer noch ein Genie, nicht wahr? Doch aktuell sieht es eher so aus, als wären seine bis dato viel zu oft, von viel zu vielen Journalist:innen als genial bezeichneten Fähigkeiten als Manager doch nicht so genial wie gedacht.

Erlebt Musk vielleicht gerade deshalb sein Waterloo, weil sein CEO-Werkzeugkoffer zwar perfekt für die immer noch durch und durch patriarchalen Industrien (Geld-Paypal, Auto-Tesla und Raumfahrt-Space X) passt, aber nicht für das Silicon Valley?

Oder geht die Ära des Schockkapitalismus vielleicht einfach eh gerade zu Ende? Ich wage mal eine These: Eventuell erleben wir gerade ein Dinosauriersterben, das die Thiels und Musks, mit all ihrer toxischen Männlichkeit, dem Geniekult und dem Raunen gegen das Establishment hinwegfegt, und ihnen einen neuen Platz an der Tafel der Geschichte zuweist, nämlich in der Schmuddelecke der MAGA-Claqueure – ich hätte nichts dagegen, wenn dem so wäre, denn auf Twitter wird über kurz oder lang kaum noch jemand etwas von Musk, Trump und Co. mitbekommen!

Ich hoffe, ich behalte recht!

Frank-Thorsten Moll, 2024

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Digitaler Minimalismus, © Frank-Thorsten Moll, 2022

Im Kontext meiner Auseinandersetzung mit digitalen Themen stolpere ich immer wieder über Apologeten des „digitalen Minimalismus“ bzw. „digital Detox“. Ich muss gestehen, dass derlei Artikel durchaus anziehend auf mich wirken. Gleichzeitig hinterlassen sie immer einen leicht fahlen Nachgeschmack – etwas stimmt für mich nicht mit den Versprechungen und Analysen dieser Zunft. Ist es der auf Elendspropaganda basierende Grundton, der immer vom fehlgeleiteten hier und jetzt ausgeht, um das „richtige Leben“ in der Zukunft zu skizzieren? Oder einfach nur der Technikbegriff des radikalen Calvinismus, der alles technisch Neue mit Ablenkung aka dem Teufel gleichsetzt? Im Grunde könnte man sich ja schon darüber wundern, warum die meisten Autor:innen ihre Weisheiten über digitalen Verzicht auf allen Kanälen kundtun.

Das Heilsversprechen der digitalen Minimalist:innen entlehnt tatsächlich viele Argumentationsmuster aus klassischen Glaubenssystemen, die das Heil eines jeden Individuums auf die Einsicht der Falschheit ihres jeweiligen Lebenswandels und die anschließende Unterwerfung unter ein Regime des Verzichts aufbauen. Nur einzelne Vokabeln werden anders gesetzt: Heute sagt man nicht Buße oder Sühne, sondern Entgiftung, Diät oder Entschlackung – meint aber immer dasselbe. Eine signifikante und vor allem sichtbare Abkehr von alten Mustern und ein damit einhergehender Kult der Identifizierbarkeit von Gleichgesinnten. So schwadroniert Cal Newport, in seinem Buch „Digital Minimalism – Choosing a Focused Life in a noisy World“, dass sobald man jemanden mit einem alten Klapphandy auf der Straße sehe, höchstwahrscheinlich einen Gleichgesinnten digitalen Minimalisten sehe, der sein Credo internalisiert und sein Handy “downgegraded” bzw. sein Smartphone wortwörtlich dümmer gemacht habe. Was ich denke, wenn ich jemanden mit einem Klapphandy sehe, ist etwas ganz anderes. Ich denke an eine wirtschaftlich abgehängte Person. Des einen “Weniger ist mehr” ist des anderen “ich kann mir nicht mehr leisten”.

Betrachtet man das Phänomen der japanischen Aufräum- und Entrümpelungskönigin Marie Kondo so gibt es Parallelen zu den digitalen Minimalist:innen. Wer Verzicht predigt und den Verzicht zu einem Geschäftsmodell macht, tauscht im Grunde nur viele Produkte gegen wenige Produkte ein. Bei Kondo heißt dies – kauft neue Kissen, neue Möbel, Kisten und noch mehr Kisten und zelebriert Wegwerforgien mit quasi animistischen Zeremonien. Kurz gesagt: Sie feiert den Potlach mit Homedepot und IKEA und macht damit nichts besser. Letztlich schafft sie also nur Platz für neuen Kram. Und die digitalen Minimalisten? Was verkaufen Sie? Ihre Produkte sind in erster Instanz natürlich Bücher, PDFs, Newsletter, Podcasts und ein paar gute Argumente gegen Facebook, Instagram und Co., die wir mit Geld und unserer Aufmerksamkeit bezahlen. Willkommen in der Aufmerksamkeitsökonomie des Silicon Valley Zeitalters!

Letztlich – so die Beantwortung meiner Ausgangsfrage nach der Herkunft des komischen Gefühls – muss man sich diese Weisheiten der digitalen Minimalisten einfach leisten können, denn ihr Regime des Verzichts erwartet wie gerade herausgearbeitet vor allem eines: viel Zeit.

Zeit, die ich nicht bereit bin, zu investieren. Optimiere nicht dich selbst, sondern deine Abwehr digitaler Heilsversprechen.

Frank-Thorsten Moll, 2024

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Gmail-Roboter beim Sichten von Fotos, © Frank-Thorsten Moll, 2022

Die Diskussion über Gmail als besonders invasiven und die Privatsphäre ihrer Kunden nicht respektierenden Onlinedienst ist genauso lang, wie vielsagend.

Die Meldungen, dass einzelne US-Senator:innen sich gegen Gmail aussprechen und aktiv gegen den Anbieter vorgehen, zeigt einen Wandel in der Art und Weise, wie solche Themen in den USA angegangen werden.

Das war nicht immer so! Betrachtet man die Geschichte der politischen Auseinandersetzung mit Gmail einmal genauer, so zeigt sich an ihr ganz exemplarisch, wie unterschiedlich die Auffassung vom Recht auf Privatsphäre bei den jeweiligen Akteur:innen ausgeprägt ist. Die Vertreter:innen der großen Plattformen (Google, Meta, Amazon) argumentieren meistens, dass, was die Gegenseite „Verletzung der Privatsphäre“ nennt, eigentlich nur servicerelevante und vom Kunden in den AGBs akzeptierte Maßnahmen sind, die einzig und allein zur Qualitätssteigerung ihrer Produkte diene.

Die Politik verweist auf ein Maß an Datengenerierung, das an Spionage erinnere und durch keine AGB ernsthaft gedeckt sein kann, da sie wesentliche Rechte der Nutzer:innen mit Füßen trete.

In einer der ersten Verfahren gegen Gmail soll es einmal zu einem Treffen zwischen den Gründern von Google und einer Senatorin gekommen sein. Diese wollte mit ihnen über die Sammelwut der Google-Algorithmen im Allgemeinen und die Auswertung privater E-Mail-Kommunikation im Besonderen sprechen. Hierbei soll es zu einem denkwürdigen Dialog gekommen sein, den ich wie folgt paraphrasieren würde. (Über sachdienliche Hinweise, um wen es sich dabei gehandelt hat, wäre ich sehr dankbar, denn ich habe in meinem Zettelkasten und im Internet nicht die richtigen „Knöpfe“ gedrückt, um dies korrekt zu zitieren!)

Um die Politikerin von der Bedenkenlosigkeit seiner Algorithmen zu überzeugen, erzählte ihr Larry Page von folgendem Szenario, das er offenbar für vollkommen unschuldig und bedenkenlos hielt. Man könne sich den Gmail-Algorithmus wie einen Roboter vorstellen, der bei Kund:innen zu Hause erscheine und ganz diskret alle Schubladen öffnete, ihre Briefe lese und in Fotoalben stöbere, nur um sie besser zu verstehen, und ihnen dadurch besser zu Diensten sein zu können. In dem Moment, in dem der Roboter wieder ihr Haus verlasse, vergesse dieser alles, was er in der Wohnung gesehen, gelesen und gehört habe, sofort wieder. Ob dies nicht vollkommen okay sei? NEIN, war die entrüstete Antwort der Politikerin.

Die zwei Auffassungen von Privatsphäre, die hier aufeinandertrafen, könnten unterschiedlicher nicht sein. Es offenbart sich hier ganz deutlich, dass die Autoren besonders mächtiger Algorithmen, die klar sichtbaren Schattenseiten ihrer Schöpfungen oftmals einfach nicht sehen wollen. So eine Art Frankenstein-Effekt. Offenkundig überwiegt der Stolz auf das gelungene Produkt, oder der Glaube daran, dass die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe über allem anderen steht.

Diese Einstellung hat meines Erachtens viel mit der Kultur des Silicon Valleys zu tun, wo ein nur oberflächlich, mit Versatzstücken der Hippiekultur bestreuselter Aggro-Kapitalismus gelebt wird, der nur den:die aggressive:n Unternehmertypus und den:die produktverliebte:n Programmierer:in kennt. Dass die Verletzung der Privatsphäre nicht nur fest in die Erfolgsgeschichten großer Tech-Unternehmen eingeschrieben ist – ist evident. Dass der Begriff der Privatsphäre jedoch aufs engste mit seiner Verletzung verbunden ist, muss man sich dabei aber auch immer wieder vor Augen führen. (Vgl. mit diesem Text)

Ohne die wiederholte und aktenkundige Verletzung unserer Rechte auf Privatsphäre, müssten wir gar nicht überlegen, wie diese im digitalen Zeitalter aussehen müsste.

Das Problem könnte demnach nicht nur im Silicon Valley allein liegen, sondern vielmehr in einem Fehlen einer neuen Kultur, die den Code zum Erfolg von Tech-Startups derart umprogrammiert, dass der Schutz der Privatsphäre von Beginn an Teil der Unternehmensstrategie ist. Kommerzielle Open-Source Anbieter, die den Schutz der Privatsphäre aktiv betreiben, wie z.b. ghost.org und Initiativen wie Mastodon lassen hoffen, dass dieser Wandel kurz bevor steht.

Frank-Thorsten Moll, 2024

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Kodaker auf der Jagd, © Frank-Thorsten Moll, 2022

Marina Manoukian eine Schriftstellerin und Künstlerin aus Berlin mit armenischen Wurzeln veröffentlichte am 1. Dezember einen schönen Aufsatz auf dem Online-Portal thebaffler.com, in der sie unter dem Titel “Who’s Watching – The evolution of the right to privacy” einen schönen Text über die Geschichte der Privatsphäre zeichnet. Dabei wurden mir einige Zusammenhänge vor Augen geführt, die ich so nicht wusste, bzw. nicht so zusammen gedacht habe. So ist das Recht auf Privatsphäre aus dem amerikanischen Recht entwachsen und eng verbunden mit dem Siegeszug der Foto- und Filmkameras Ende des 19. Jahrhunderts. Denn natürlich war auch diese technologische Revolution eine, die ihre Exzesse auf dem Rücken, bzw. dem Gesicht der Frauen auslebte, da speziell Frauen ohne deren Einwilligung fotografiert wurden. Die sogenannten “Kodaker” waren Fotografen, die, ausgestattet mit der neuen Kodak-Kamera, regelrecht Jagd auf Frauen machten. Ein guter “Shot” war ein Foto einer schönen, im besten Fall halbnackten Frau.

Erste Gerichtsverfahren aus dieser Zeit sprachen Frauen zumeist nur im Kontext einer nicht autorisierten Nutzung ihres Abbildes in kommerziellen Kontexten ein Recht auf ihre Privatsphäre zu. Es folgten über 100 Jahre, in denen der Begriff Privatsphäre sich nie eindeutig klären ließ und sich auch nie aus der zweifelhaften Umarmung durch den Begriff des Besitzes befreien konnte. Privatsphäre entsteht erst da, wo sie verletzt wird und – so die Lektion – ist auch heute alles andere als unanfechtbar.

Wer mehr darüber lesen will, den:die verweise ich gerne zurück an den Artikel von Marina Manoukian.

Frank-Thorsten Moll, 2024

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Linux – Umstieg, © Frank-Thorsten Moll, 2022

Linux gilt leider zu Unrecht immer noch als Land der vielen “Un’s”: Unintuitiv, unästhetisch, unbedienbar – kurzum: Einsteiger:innen-unfreundlich. Vielleicht war das vor zehn Jahren ja noch so und ich erinnere mich tatsächlich daran, einmal eine Version von Linux auf meinen ersten Laptop installiert zu haben und kläglich daran, gescheitert zu sein. Heute hingegen gibt es extrem ansprechende und leicht zu bedienende Distributionen, freundliche Foren und Linux-Gruppen, die sehr freundlich mit Neuankömmlingen in der Linux-Welt umgehen. Sogar ich – als absoluter Nicht-Nerd – komme mittlerweile sehr gut klar, mit meinem Linuxsystem. Will sagen: Wenn ich das schaffe, schafft das grundsätzlich jede:r.

Damit ein Umzug zu Linux ohne Frustration gelingen kann, empfehle ich jedoch nicht unvorbereitet in das Abenteuer zu stolpern. Die gute Nachricht: Die Wahl der Distribution ist nicht so wichtig, wie man immer glaubt, denn man kann sich seinen Desktop ja fast immer so anpassen wie man mag.

Es empfiehlt sich jedoch bei der Wahl der Distribution auf die Kapazität des jeweiligen Rechners zu achten. Haben Sie zum Beispiel einen etwas in die Jahre gekommenen PC, sollten Sie eine sogenannte Lightweight-Distro, wie Linux Lite, Lubuntu oder Zorin-OS-Light wählen. Hat ihr Rechner noch genug Power, dann steht Ihnen buchstäblich jede Option offen. Mögen Sie das Apple Betriebssystem sind sie bei ElementaryOS oder Fedora Gnome gut aufgehoben. Sind sie eher auf ein Windowssystem aus, können sie bei Linux Mint oder ZorinOS ein Stuck der alten Heimat wiederfinden.

Viel wichtiger ist ein realistisches Erwartungsmanagement und ein gutes Backup ihrer Daten – oder noch besser ihres ganzen Systems – auf einer externen Festplatte oder der Cloud.

Zum Erwartungsmanagement: machen Sie sich klar, warum sie wechseln und was sie bereit sind an Komfort (aka Pivatsphäreverletzungen) einzubüßen.

Zum Backup: Wenn Sie von Apple migrieren wollen, kaufen Sie sich eine externe Festplatte und lassen Sie eine komplette Sicherung ihres ganzen Systems von der Standard-Software „Time Machine“ anfertigen. Sie haben dann immer die Option wieder zurück zu migrieren und nicht alle Daten verloren zu haben.

Wie das mit Microsoft funktioniert, kann ich Ihnen leider nicht sagen. Grundsätzlich sollte es auch dafür funktionierende Backup-Programme geben.

Bevor sie Linux installieren, überlegen sie ganz genau, welche Programme sie tagtäglich nutzen und checken sie, ob es für das jeweilige Programm Alternativen in der Linux-Welt gibt. Über diverse Hilfsprogramme können sie mittlerweile ohne viele Einbußen in Sachen Performance auch Windows-Programme unter Linux zum Laufen bringen und zudem viele Programme (z. B. Office365) über Web-Apps oder direkt im Browser zum Laufen bringen. Wenn Sie jedoch herausfinden, dass es für ganz essenzielle Programme ihres täglichen Gebrauchs keine nutzbare Alternative gibt, bleiben sie lieber beim alten System und versuchen sie das sicherzumachen.

Wenn Sie ihren Computer jedoch hauptsächlich fürs Surfen, Filme schauen, E-Mails schreiben, Messenger bedienen und ähnliches nutzen, steht einem Wechsel zu Linux erfahrungsgemäß nichts im Wege.

Um Linux auf ihren Rechner zu installieren, müssen Sie einen USB-Stick mit dem Betriebssystem ihrer Wahl bespielen. Hierbei hilft ihnen eine Software namens Etcher. Laden Sie zunächst diese Software auf Ihr altes Betriebssystem und danach die ISO-Datei der neuen Linux-Distribution. Etcher hilft Ihnen dann durch den Installationsprozess.

Wenn es dann ganz konkret um den „Einzug“ in die neue Linux-Architektur geht, hilft ihnen vor allem eins. Ihr Backup und ein Passwortmanager.

Passwortmanager, die über die Cloud operieren, helfen tatsächlich extrem beim Umzug ihres Systems. Mein Passwortmanager ist für gewöhnlich das Erste, was ich auf einem neuen System wiederherstelle, denn dann kann ich alle anderen Dienste wieder installieren, freischalten und nutzen. Ich empfehle Bitwarden oder den Passwortmanager der bei Firefox eingebaut ist. (Achtung! Sie brauchen ein aktiviertes Firefoxbenutzerkonto, damit es auf dem neuen Linux-Gerät auch synchronisiert wird). Nun können Sie bequem einen Dienst nach dem anderen wieder in Betrieb nehmen.

Seien Sie nicht entmutigt, zunächst wird alles etwas ungewohnt sein und sich „komisch“ anfühlen, aber Sie werden schnell merken, dass Sie ein System installiert haben, dass Ihnen zu 100% die Kontrolle über Aussehen, Performance und das Level an Privatsphäre in die Hand geben. Zögern Sie bei den ersten Problemen nicht ein Hilfe-Forum aufzusuchen und ggf. ihr Problem zu posten. Für gewöhnlich wird ihnen schnell geholfen.

Sollte Sie dieser Artikel in die Linux Welt geführt haben, geben Sie mir gerne Rückmeldung, wie es ihnen gefällt.

Frank-Thorsten Moll, 2024

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Datensammelwut von Google, © Frank-Thorsten Moll, 2022

Zugegeben, die Studie von Professor Douglas C. Schmidt, Professor für Computerwissenschaften an der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee (USA) stammt aus dem Jahr 2018 und ist in Internetzusammenhängen schlichtweg als alt – sogar sehr alt – zu bezeichnen. Dafür ist sie aber auch eine sehr umfassende und grundlegende Studie, die einen wichtigen Aspekt der Datensammlungsstrategie Googles in den Fokus genommen hat, die sonst oft vergessen wurde. Prof. Schmidt und sein Team analysierten nämlich auch, was zum Beispiel Android-Smartphones im Ruhezustand, oder wenn noch nicht einmal eine Google-App aktiviert ist, an die Server ins Silicon Valley überträgt. In der Studie werden die Ergebnisse wie folgt zusammengefasst:

“Both Android and Chrome send data to Google even in the absence of any user interaction. Our experiments show that a dormant, stationary Android phone (with Chrome active in the background) communicated location information to Google 340 times during a 24-hour period, or at an average of 14 data communications per hour.”

Dass Android-Phones und der Chrome-Browser derart viele Nutzer:innendaten sendet, wäre allein schon erschreckend genug, die Forscher:innen konnten jedoch herausfinden, dass Standortdaten nur 35 % aller Daten ausmachen, die auf diese Art gesammelt werden. Alle weiteren Daten geben Auskunft darüber, mit welchen Seiten interagiert wird, wie lange man die eine oder die andere Seite nutzt, welche Informationen man sich wie beschafft, was man liest. Wie exzessiv Google es mit seiner Datenbeschaffung übertreibt, zeigte dieselbe Analyse eines Apple iOS Smartphones und des Safari-Browsers, die überhaupt keine Daten senden, wenn das Gerät, bzw. der Browser nicht in Nutzung ist.

“In contrast, a similar experiment showed that on an iOS Apple device with Safari(where neither Android nor Chrome were used), Google could not collect any appreciable data (location or otherwise) in the absence of a user interaction with the device.“

Ob dies heute – über vier Jahre später – auch noch so ist, wage ich zu bezweifeln, aber immerhin belegt es die häufig wiederholte These, dass Apple die Privatsphäre ihrer Kund:innen schon allein deshalb mehr respektiert, weil ihr Kerngeschäft der Verkauf von Geräten und weniger der Verkauf von Daten und Software darstellt.

Doch zurück zu Google. Bisher sprachen wir nur über deren Datensammlungsstrategie, im Fall der Inaktivität des Smartphones oder des Browsers. Ungleich hungriger wird der Google-Apparat, wenn das Gerät benutzt wird. So wurden Standortdaten allein 1.4-mal häufiger vom Android-Phone zu Google gesendet. Der Witz daran ist, dass man dazu noch nicht einmal eine klassische Google-App aktivieren muss. Es genügt, dass Google Analytics, DoubleClick und AdWords aktiv sind und schon sind alle unsere Aktionen Teil einer Datensammlung. 2018 – zum Zeitpunkt der Analyse – sendete ein Androidphone 11,6 MB an Daten pro Tag zu Google. Das entspricht 0,35 GB im Monat. Sie denken, das ist nicht viel? Zum Vergleich: Dieser Text als Word Dokument gespeichert ist gerade einmal 40,7 kB „schwer“ und der 55-seitige Bericht auf den ich mich hier beziehe 4,6 MB. Google erhält also mehr als 2x soviel Daten von uns – und zum größten Teil ohne unsere Einwilligung – wie der Forschungsbericht über diese Praxis selbst hergibt.

Wer jetzt zufrieden auf sein iPhone schaut, den muss ich leider enttäuschen, denn die Vormachtstellung Googles erlaubt es ihnen auch die Daten der Apple-User:innen auszulesen. Zwar nicht in derselben Dichte und Intensität wie von Android-Geräten, aber immerhin annähernd die Hälfte davon.

“In this experiment, the total magnitude of data communicated to Google servers from an iOS device is found to be approximately half of that from the Android device.”

Die Lösung liegt also nicht nur im Vermeiden von klassischen Google-Produkten, wie deren Suchmaschine und Gmail. Vielmehr sollte man:frau sich bewusst für ein entgoogeltes Smartphone, wie z.B. ein Murena-Phone oder zumindest für ein iPhone entscheiden, ein VPN, oder noch besser, den Tor-Browser benutzen.

Frank-Thorsten Moll, 2024

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Suchmaschine, © Frank-Thorsten Moll, 2022

Google verdankt seinen Aufstieg bekanntermaßen nicht nur seiner Innovationskraft und Skrupellosigkeit, sondern vor allem seiner Suchmaschine. Sie erlaubte es dem Unternehmen, den Werbemarkt für lange Zeit zu dominieren und seine eigene Strahlkraft auszubauen. Heute wird sowohl Google synonym mit Internetsuche, wie Gmail mit E-Mailschreiben verwendet. Android, das auf den meisten Smartphones installiert ist, schickt sich zudem an, das dominante Betriebssystem zu werden, das sich zudem auch hinter den meisten Fernsehern und Smart-Devices versteckt.

Dass jede unserer Suchanfragen auf Google gespeichert, ausgewertet und verkauft wird ist hinlänglich bekannt, dass es Alternativen zum “googeln” gibt, ist hingegen den meisten noch unbekannt. Warum eigentlich? Ein Wechsel der Suchmaschine ist spielend einfach.

Ecosia ist eine effektive und die Privatsphäre ihrer User:innen respektierende Suchmaschine mit einem eingebauten ökologischen Gewissen. Die Erträge aus Werbeanzeigen fließen nach Auskunft des „Unternehmens“ in die Wiederaufforstung bedrohter Wälder. Mit jeder Suchanfrage spülen wir Geld in die Kriegskasse dieses kleinen Unternehmens.

Startpage nennt sich selbst „der Welt privateste Suchmaschine“ und liefert ebenfalls grundsolide Suchergebnisse. Startpage nutzt zwar, ähnlich wie Ecosia den Suchdienst von Google, anonymisiert die Anfragen jedoch und wertet sie nicht aus.

Metager ist wie der Name schon sagt eine Metasuchmaschine, die von dem gemeinnützigen Verein SUMA-EV, Verein für freien Wissenszugang betrieben und weiterentwickelt wird. Der Vorteil dieser Suchmaschine ist die Kombination verschiedener Internetsuchmaschinen und Verzeuchnisse. Die Algorithmen sind nach Auskunft von Suma-EV 100% Open-Source und daher frei einsehbar. Dass die Server zudem auf 100% Ökostrom laufen macht das Unternehmen, das seit kurzem ästhetisch etwas verjüngt erscheint, noch sympathischer.

Die wahrscheinlich bekannteste Alternative zu Google heißt Duckduckgo und schickt sich zurzeit an,sich auch als Anbieter temporärer E-Mail-Adressen einen Namen zu machen, die zum Einkaufen und zur anonymen Kontaktaufnahme mit Unternehmen genutzt werden können.

Das Umstellen der Standardsuchmaschinen ist in den meisten Browsern kinderleicht. Bei Firefox geht man unter “Einstellungen” zu “Suche”, scrollt ein bisschen nach unten und kann dort die Suchmaschine seines:ihres Vertrauens auswählen. Mein Tip für die erste Suche: “Alternative zu Gmail”.

Frank-Thorsten Moll, 2024

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Smartphone auf Sendung, sogar ohne unsere Einwilligung, © Frank-Thorsten Moll, 2022

Jüngst fasste Fabian Peters in einem lesenswerten Text auf basicthinking.de die Machenschaften der übergroßen Mehrheit aller App-Anbieter zusammen. Im Grunde sagt seine Überschrift schon alles: „Ein Großteil aller Apps verstößt gegen die DSGVO“. Seine These leitet er aus einer Analyse des Softwareunternehmens Usercentrics ab, die herausfand, dass 90 Prozent von 250 untersuchten Apps Daten ohne direkte Nutzereinwilligung sammelt und verwertet – sei es zu eigenen Zwecken und/oder um sie an Datensammler zu verkaufen. Dies ist bei weitem nicht die erste unabhängige Studie, die zu diesem Ergebnis kommt und dennoch scheint sich niemand darüber zu empören oder gar konkrete Aktionen folgen zu lassen. Eine Löschung solcher Apps auf dem eigenen Smartphone oder PC wäre doch immerhin im Bereich der nachvollziehbaren Reaktionsmuster. Warum dies so ist? Wahrscheinlich, weil der Diebstahl selbst nicht nur im unsichtbaren stattfindet, sondern auch lange nachher unbemerkt bleibt. Einen direkten Schaden wollen die meisten User:innen nicht feststellen und so nimmt man diesen Diebstahl allenfalls als schlitzohrigen Kavaliersdelikt einfach hin. Dass der Begriff Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der Europäischen Union für viele Bürger:innen synonym mit „Obrigkeitsstaat“, „Gängelei aus Brüssel“ und „Überregulierung“ verstanden wird, spielt den Tech-Giganten zudem sehr in die Karten, denn so können sie einfach weitermachen. Niedrige Strafsummen und eine Grundhaltung, die besagt, dass diejenigen, die sich an die Regeln halten, auf den umkämpften Märkten keine Chance haben und Gewinnertypen (speziell die aus dem Silicon Valley) es mit den Gesetzen eh nicht so genau nehmen dürfen, schafften in den letzten Jahren eine Atmosphäre, die an Raubrittertum und Freibeuterei erinnern. Die Dummen sind die, die daran Anstoß nehmen, denn der Schaden kann schon nicht so wild sein.

Doch worüber reden wir hier eigentlich? Wenn unsere Bewegungsprofile von z. B. Google-Maps getrackt werden, selbst, wenn wir die App nicht benutzen, entstehen extrem genaue Bewegungsprofile, die sehr viel mehr über uns aussagen, als dass wir sonntags gerne mal 6 Kilometer joggen. Rückschlüsse über unser (Fehl-)Verhalten wandern in riesige Datensammlungen, die uns schon längst als gläserne Kund:innen in ihrer Kartei führen. Was dies in Diktaturen und Quasi-Diktaturen bedeutet, ist eine Frage, deren Beantwortung wenig Fantasie bedarf. Der Schritt zur Totalüberwachung ist ein kurzer und die Warnung davor keine Paranoia, wie einzelne Fälle aus den USA und Europa zeigen.

Die Nutzung eines VPN-Dienstes, wie z.B. Mullvad, NordVPN oder Surfshark kann helfen, die Vermeidung von Google-Produkten noch viel mehr. Daher ist das Entgoogeln der eigenen digitalen Infrastruktur, der erste Schritt in eine selbstbestimmte digitale Zukunft.

Frank-Thorsten Moll, 2024

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Schwangere, Zeichnung, © Frank-Thorsten Moll, 2022

2012 ging ein Raunen durch die Medien, als die New York Times veröffentlichte, dass die Supermarktkette Target Informationen über ihre Nutzer:innen sammelt und ganz gezielt auswertet, mit dem Hintergedanken, eine mögliche Schwangerschaft so schnell wie möglich, herauszufinden. Target schaffte es ihre Analysen so gut einzustellen, dass ihre Schwangerschaftsprognose so effizient war, dass die Coupons und gezielte Werbung für Babyprodukte manch werdende Mutter erreichte, bevor die Schwangerschaft bekannt oder bestätigt war. So berichtet es zumindest die Journalistin Shoshana Wodinsky in einem Artikel auf bestofprivacy.com. Ein Sprecher der Kette wird zitiert, dass Schwangerschaft in den USA ein Multi-Milliarden-Dollar-Geschäft darstellt. Etwaige Datenschutzbedenken oder Sorgen um die Verletzung der Privatsphäre wischten die Verantwortlichen bei Target vom Tisch.

Heute, mehr als zehn Jahre später, ist die Situation kein Deut besser. Eher im Gegenteil, denn heute jagt jede Firma, die online Geschäfte anbietet nach solchen Daten. Gizmodo recherchierte zu dem Thema und fand bei den größten Datenhändlern Angebote zu Datensammlungen über schwangere und potenziell schwangere Menschen.

Diese Daten sind natürlich nicht nur für Firmen, die damit Profit machen wollen, interessant. Da die Abtreibungsgesetze in immer mehr US-Staaten immer restriktiver werden, haben auch Ermittler:innen ein Auge auf diese Art der Informationsangebote geworfen. Die Recherche von Gizmodo fand des Weiteren heraus, wie viel ein Kunde für derlei Informationen bezahlen muss und fand heraus, dass sie zwischen 0,49 Cent und 2,25 USD pro Adresse zahlen müssen.

Wie die Datensammlungen zustande kommen? Es gibt Zugriffe auf iOS und Android-Geräte und Auswertungen von Kreditkartenzahlungen, Auslesen von Chat und E-Mailprogrammen (vor allem Gmail) und natürlich eine Auswertung von Suchanfragen. Ein Skandal? Ja klar, aber da alles vom Kleingedruckten der meisten App und Anbieterverträge gedeckt ist, wird derlei Informationshandel immer weiter gehen. Es sei denn, die Nutzerinnen wachen auf und schützen ihre Identität und ihre Bewegung im Internet. Wie? Das könnt ihr in meiner kommentierten Linkliste herausfinden…

Frank-Thorsten Moll, 2024

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