POKER ERROR TOMATEN

Gedanken zur digitalen Selbstbestimmung

Schwangere, Zeichnung, © Frank-Thorsten Moll, 2022

2012 ging ein Raunen durch die Medien, als die New York Times veröffentlichte, dass die Supermarktkette Target Informationen über ihre Nutzer:innen sammelt und ganz gezielt auswertet, mit dem Hintergedanken, eine mögliche Schwangerschaft so schnell wie möglich, herauszufinden. Target schaffte es ihre Analysen so gut einzustellen, dass ihre Schwangerschaftsprognose so effizient war, dass die Coupons und gezielte Werbung für Babyprodukte manch werdende Mutter erreichte, bevor die Schwangerschaft bekannt oder bestätigt war. So berichtet es zumindest die Journalistin Shoshana Wodinsky in einem Artikel auf bestofprivacy.com. Ein Sprecher der Kette wird zitiert, dass Schwangerschaft in den USA ein Multi-Milliarden-Dollar-Geschäft darstellt. Etwaige Datenschutzbedenken oder Sorgen um die Verletzung der Privatsphäre wischten die Verantwortlichen bei Target vom Tisch.

Heute, mehr als zehn Jahre später, ist die Situation kein Deut besser. Eher im Gegenteil, denn heute jagt jede Firma, die online Geschäfte anbietet nach solchen Daten. Gizmodo recherchierte zu dem Thema und fand bei den größten Datenhändlern Angebote zu Datensammlungen über schwangere und potenziell schwangere Menschen.

Diese Daten sind natürlich nicht nur für Firmen, die damit Profit machen wollen, interessant. Da die Abtreibungsgesetze in immer mehr US-Staaten immer restriktiver werden, haben auch Ermittler:innen ein Auge auf diese Art der Informationsangebote geworfen. Die Recherche von Gizmodo fand des Weiteren heraus, wie viel ein Kunde für derlei Informationen bezahlen muss und fand heraus, dass sie zwischen 0,49 Cent und 2,25 USD pro Adresse zahlen müssen.

Wie die Datensammlungen zustande kommen? Es gibt Zugriffe auf iOS und Android-Geräte und Auswertungen von Kreditkartenzahlungen, Auslesen von Chat und E-Mailprogrammen (vor allem Gmail) und natürlich eine Auswertung von Suchanfragen. Ein Skandal? Ja klar, aber da alles vom Kleingedruckten der meisten App und Anbieterverträge gedeckt ist, wird derlei Informationshandel immer weiter gehen. Es sei denn, die Nutzerinnen wachen auf und schützen ihre Identität und ihre Bewegung im Internet. Wie? Das könnt ihr in meiner kommentierten Linkliste herausfinden…

Frank-Thorsten Moll, 2024

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Google, © Frank-Thorsten Moll, 2022

Die fünf größten Player auf dem Feld des Digitalkapitalismus: Google, Twitter, Apple, Amazon, and Facebook sammeln allesamt Daten über unser Nutzer:innenverhalten, während wir ihre Geräte oder Programme benutzen. Welche dieser Firmen sich am gierigsten über unsere Daten hermacht, sie am exzessivsten sammelt, und am perfidesten auswertet und danach zu Geld macht, ist in den Augen der meisten Analyst:innen, wie zum Beispiel derjenigen von StockApps.com, schnell beantwortet: Es ist natürlich Google!

Abgesehen von den User:innendaten speichert google eine große Menge an Daten, die bei den genauen Aufenthaltsorten und den Suchfunktionsdaten anfangen und häufig auch nicht vor der Auswertung unseres Surfverhaltens auf Drittanbieterseiten haltmacht. Dass jede E-Mail, die in unseren Gmail-Accounts landet, gescannt wird egal, ob der oder die Absender:in jemals ein okay gegeben hat ist dabei nur ein weiteres Detail.

Dass auf Grundlage dieser reichen Ernte erstaunlich präzise Werbeprofile von jedem Nutzer und jeder Nutzerin angelegt und konstant überarbeitet werden, scheint daher wenig verwunderlich. Aaron Holmes beschrieb auf businessinsider.com 2020 sehr eindrücklich, wie man auf Google herausfinden kann, was Google über einen denkt und wie verrückt präzise diese Ableitungen oftmals sind.

Cloud Fender gibt auf seinem Medium-Account ebenfalls ein paar Hinweise, wie man herausfinden kann, was Google von einem weiß. Unter der Überschrift “6 links that will show you what Google knows about you” findet man Hinweise, wie man seine Daten von Google herunterladen kann, was Google anhand der Youtube-Nutzung ableitet und welche Geolocations gespeichert wurden.

Allen, die bisher kein Gefühl dafür haben, was es bedeutet einen google-Service zu nutzen, empfehle ich einmal genauer nachzuschauen.

Frank-Thorsten Moll, 2024

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Sherriff mit Handschellen, © Frank-Thorsten Moll, 2022

Facebook muss auf Anfrage der US-Behörden Daten herausgeben, wenn Verfahren gegen Nutzer:innen anhängig sind. Soweit so ungewöhnlich. Macht ja irgendwie Sinn, könnte man meinen. Doch was ist, wenn ein US-Staat, nehmen wir mal Texas, ein so restriktives Abtreibungsgesetz hat, dass Abtreibungen selbst im Fall einer Vergewaltigung illegal sind? Zur Anzeige gebrachte Abtreibungen könnten untersucht werden und die Polizei könnte Facebook bitten, ihnen Einblicke in private Chatverläufe zu gewähren. Gibts nicht? Gibts leider doch. Wie der Spiegel berichtete, ist einer jungen Frau in Nebraska genau das passiert.

Dass die Agenda der Republikaner frauenfeindlich ist und dass Big Tech ebenfalls ein nicht zu leugnendes strukturelles Problem hat, wurde vielfach berichtet. Was passiert, wenn beide Systeme zusammenarbeiten, sieht man an solchen Fällen.

Was kann man tun, um seine Privatsphäre so gut es geht zu schützen? Ein Anfang wäre getan, wenn man privateste Nachrichten nur auf geschützten und verschlüsselten Messengern wie Signal oder Element (formals Riot) austauscht und aufpasst, was man auf Facebook teilt. Die Ausrede, die Alternativen zu Facebook-Messenger und WhatsApp seien nicht praktisch oder man brauche IT-Kenntnisse, um sie zu installieren, gelten mittlerweile nicht mehr.

Frank-Thorsten Moll, 2024

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Facebook und Trump, © Frank-Thorsten Moll, 2022

Verstörende Nachrichten aus den USA gehören zur Tagesordnung. In gewisser Weise werden sie ja bereits so erwartet, vorausgesetzt und als Teil der Erregungsmaschinerie herbeigesehnt, eine gewissen Unaufgeregtheit im Umgang mit derlei Nachrichten ist daher sicher geboten. Eine Nachricht, die heute (16.11.2022) ruchbar wurde, halte ich dennoch für erwähnenswert. Meta, der Mutterkonzern von Facebook, Instagram und WhatsApp, sendete gestern ein Memo an alle seine externen Faktenchecker mit der Aufforderung Nachrichten, die Aussagen von Donald Trump im kommenden Wahlkampf beinhalten, bzw. weitergeben (zur Erinnerung: Trump selbst ist seit dem Sturm auf das Capitol auf Facebook und Twitter gesperrt) nicht mehr auf Fake News zu checken. Der Artikel auf der CNN-Webseite auf den ich mir hier beziehe, stellt dieses Memo in den Kontext einer langen Geschichte der Nicht-Einmischung bei Facebooks. So habe Nick Clegg, seines Zeichens Ex-Politiker und nun im höheren Management von Meta 2019 gesagt: „Es ist nicht unsere Rolle uns einzumischen, wenn Politiker:innen sprechen!“. Was klingt wie: „Wenn der Kuchen spricht, hat der Krümel zu schweigen!“ ist natürlich weniger Zeichen größerer Angst oder gar Respekts vor dem Amt des Politikers, bzw. der Politikerin als Angst um potenzielle Sponsoren und Gefolgsleute im Senat oder Kongress. Meta schreibt in seinem Memo eindeutig, um was es ihnen geht. Sollte Trump für ein politisches Amt kandidieren, was er einen Tag später tatsächlich verlautbarte, dann wäre er nach Meinung der Firma Meta als Politiker zu betrachten und falle als solcher unter oben genanntes Gebot. Andy Stone, ein Sprecher von Meta sagt, bei dem Memo handle es sich um eine „Wiederholung unserer langjährigen Politik“, die „für niemanden eine Neuigkeit sein sollte.“

Dass der kriselnde Gigant, der Hass-Zwietracht und Fake-News zu seinem Geschäftsmodell, bzw. zum Gleitmittel seines Geschäftsmodells gemacht hat, sich die Aufmerksamkeitseffekte, die Donald Trump auf den sozialen Medien generiert, nicht entgehen lassen will, sieht man an den firmeninternen Überlegungen, Trump ab Januar 2023, also pünktlich zu dem Beginn des Wahlkampfes, wieder zu entsperren. Spätestens dann, sollte man über eine Löschung seines:ihres FB-Accounts nachdenken.

Frank-Thorsten Moll, 2024

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Kontosperrung, © Frank-Thorsten Moll, 2022

Die Nachrichten über unbegründete aber dennoch durchgeführte Sperrungen von Google oder OneDrive Accounts häufen sich. Grund dafür sind die automatisierten Scans, die Accounts von Nutzer:innen nach kinderprornografischem oder anderweitig kriminellen Inhalten durchsuchen.

Heute lese ich auf heise.de über die Sperrung eines Microsoft-Accounts eines Users, der kurz zuvor seine Familienfotos in der Cloud sortiert hatte. Anschließend bekam er wegen Verletzung des Geschäftsvertrags die Sperrung kommuniziert. Die Nachricht „Ihr Konto wurde gesperrt“ hat natürlich weitreichende Auswirkungen und häufig auch finanzielle Folgen, wenn sich z. B. wichtige Informationen, Geschäftspiere oder private Archive auf dem Account befanden.

Die Betroffenen fallen zumeist wegen privater Fotos ihrer Kinder auf, die sie auf Smartphones, Festplatten oder in der Cloud gespeichert haben. Manchmal reicht ein unbekleidetes Kleinkind, um in den Verdacht zu geraten, Kinderpornografie im Netz zu verbreiten.

Was dann passiert, kann unangenehme Folgen haben. Eine Sperrung aller digitaler Daten kommt nämlich einem digitalen Totalverlust gleich. Kommt es, wie speziell in den USA, wo derlei Funde automatisiert an eine Behörde weitergeleitete werden, sogar zu einer strafrechtlichen Verfolgung, ist dies selbstverständlich ungleich gravierender, da, selbst wenn, der Verdacht ausgeräumt wird, immer einen Restzweifel an der moralischen Integrität der Person zurückbleibt.

So berichtete Heise-online bereits über die Fälle zweier Väter aus den USA, die wegen Hautausschlägen ihrer Kinder im Genitalbereich Fotos davon an ihre Hausärzte sendeten, um einen ärztlichen Rat zu bekommen. Statt eines Rates wurden sie mit Strafanzeigen und Totalsperrung ihrer Accounts konfrontiert. Unglaublich? Nachzulesen ist dies im selben Artikel, den ich bereits zitiert habe. (Hier ist zudem nachzulesen, wie man am besten als Opfer solcher fälschlichen Sperrungen in Deutschland reagiert.)

Dass wir durch Unterzeichnen der Geschäftsbedingungen mit Google, Dropbox, Microsoft und Co. quasi alle Rechte an unseren Daten abgeben, wird in solchen Fällen überdeutlich. Dass wir als Kund:innen keine Einsicht haben, wie die Algorithmen, die unsere Inhalte durchsuchen, überhaupt funktionieren – sprich: das ganze Verfahren ist komplett intransparent – ärgert daher nicht nur die Betroffenen, sondern alle, denen Privatsphäre ein hohes Gut ist.

Neben derlei rufschädigender und eventuell sogar existenzbedrohender Folgen, sind die privaten Folgen. Verlieren wir unsere Daten, die wir einem einzigen Cloudanbieter (an)vertrauten, verlieren wir unter Umständen alle privaten Fotos der letzten Jahre. Mit den Fotoalben verschwinden dann Teile der Familiengeschichte. Gesperrte Adressbücher verunmöglichen sogar ggf. den Umzug zu neuen Anbietern. Passwörter, Tagebücher, Arbeitsdokumente sind verloren – eventuell unwiederbringlich verloren, denn in einigen Fällen helfen auch die mühsamen Mittel des Einspruchs nicht.

Die beiden Väter kämpfen wahrscheinlich bis heute um ihre Daten oder sie haben den Kampf bereits aufgegeben und bauen sich ihre digitale Geschichte woanders neu auf. Hoffentlich bei einem Anbieter wie Nextcloud, wo man Herr und Frau über seine eigenen Daten sein kann.

Wer sich nicht in der Lage fühlt, selbst einen Server aufzusetzen und zu betreuen, für den:die gibt es mittlerweile sehr gute Angebote für eine gehostete Nextcloud, bei deutschen Anbietern, wie Hetzner, Serverdisounter und anderen. Wer nicht allzu viele Daten verwalten muss, dem empfehle ich die ständig wachsende Angebotspalette Lösung von mailbox.org – einem deutschen Mailprovider, der als besonders datenschutzafin gilt und über eine ständig erweiterte Angebotspalette rund um E-Mail, Adressbuch, Dokumentenbearbeitung etc. verfügt.

Wer der Cloud (nicht zu Unrecht) gar nicht vertraut, dem empfehle ich durch Datensynchronisation zwischen mehreren Geräten (Smartphone, Laptop, PC) den Dienst syncthing. Hier läuft alles die Synchronisation im heimischen Netzwerk und lässt sich erstaunlich gut feineinstellen.

Frank-Thorsten Moll, 2024

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Poker, Error, Tomaten, © Frank-Thorsten Moll, 2022

Wie nennt man einen Blog, in dem man unaufgeregt aber aufgeklärt über das digitale Leben mit all seinen Widersprüchen, Fallen und falschen Versprechen schreiben will? Ein Blog, mit dem man im besten Fall ein paar Leute zum nachdenken bringt?

In diesem Fall half ein Algorithmus, bzw. die Webseite www.palabrasaleatorias.com, die zufällig Wörter aus dem Duden auswählt und kombiniert. In meinem Fall suchte ich nach drei Wörtern und siehe da: Die Webseite spukt “Poker – Error – Tomaten” aus. Glücksspiel, Fehlerhaftigkeit und “rotten tomatoes” , wie könnte man die das Internet besser zusammenfassen?

Frank-Thorsten Moll, 2024

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